Moes Zimmer

"Cirian." seine Ruhe war bewundernswert. "Du vergisst da was. Antoinette entspricht genauso wenig Shaina wie Elouise und Clair es tun." meinte er. Er wusste, dass das eine schwache Ausrede war, da der Teil der gesprochen hatte Shaina war. Er konnte alles seinem Gehirn entnehmen. Leichtfüßig trat er auf Cirian zu und legte Cirian's Hände an die seinigen Oberarme. Er wusste, dass das die einzige Möglichkeit für seinen Bruder war den Frust abzulassen. Selbst wenn er ihn massakrieren würde. "Shaina liebt dich." murmelte er, ehe er die Augen schloss und auf den Druck seiner Finger wartete.

Cirians Augen verengten sich schlagartig, als er der dürftigen - er würde es Ausrede nennen - Antwort Anathial's lauschte, während dieser die Hände seines Bruders an seine Oberarme legte. Wut stieg in ihm auf. Unbändige Wut, die die Energiestöße verstärkten, sodass man diese schon förmlich knistern hören konnte. "Du - hast - keine - Ahnung.", zischte er eiskalt und drückte zu. Grub seine Finger in das zarte Fleisch. Ließ ihn bluten für die Frechheit ihn anzulügen. Cirian wusste wer gesprochen hatte. Weder Antoinette, noch Clair oder gar Elouise. Es war Shaina gewesen.
Ein dumpfes Knacken verkündete den Aufprall Anathial's an der gegenüber liegenden Wand.

Er biss die Zähne zusammen, als seine Finger seine Arme mehr oder weniger zernahmen. Auch den Stoß gegen die Wand nahm er wortlos hin. Mit schmerzverzogenem Gesicht stand er langsam und auf wackeligen Beinen auf. Jeder andere würde ihn für folgendes für völlig verrückt halten. "Würde es ihr gefallen, wie du hier reagierst?" Die einzige Art Cirian zurück in die Realität zu holen war ihn solange auszureizen, bis er austickte und einsah, was er tat. Und genau in dem war Anathial geübt. Das hatte er öfter machen müssen, wenngleich das hier deutlich schmerzsamer werden würde. "Sie ist ein kleines Mädchen das die Welt in rosaroter Zuckerwatte sieht. Dann wunderst du dich, dass es sie verletzt wenn du die zich millionen Mädels genau im Zimmer neben an folterst und flachlegst?" Noch immer hatte seine Stimme einen gefühlslosen und eiskalten Ton doch genau die erwünschte Reaktion folgte. Cirian drehte fast durch.

"Da sie mich hasst, wird ihr es sowieso egal sein.", meinte er aufgebracht und trat auf seinen mittlerweile wieder stehenden Bruder zu, um einen Finger geradewegs in seine Brust zu bohren. "Rede nicht so über sie.", kam es grollend aus seiner Kehle emporgeschossen, ehe sein Geduldsfaden zum Zerreißen gespannt war. Mit einem Handwink krachte Anathial erst gegen die Decke und dann geradewegs gegen die Wand im Badezimmer. "BASTARD.", brüllte er anklagend und trat weiterhin fluchend den letzten ganz gebliebenen Nachtschrank zu Schutt und Asche.

"Argh..." entging es fluchend seinen Lippen, die hier und dort gerissen waren. Nicht nur aus diesen floss Blut. Nein, aus den zahlreichen Wunden an seinem Körper floss das Blut. Ebenso zersprangen einige Narben. Es war ein scheußlicher Anblick. Das schwarze Haar klebte mit dem Blut an seinem hellen gesicht. Einige Knochen waren gebrochen. Dennoch hiefte er sich hoch, leise hustend. Würde er ihn weiter provozieren, würde er ihn warscheinlich komplett auseinander nehmen. Es würde noch eine Weile gehen. Lieber quälte Cirian ihn, alsdass er andere erwählte. Das hätte sich Anathial nicht verzeihen können. Die einzige Hoffnung die blieb, war, dass Shaina zurück kommen würde. "Wer ist hier der Bastard, hm? Wer hat sie so tief verletzt, dass sie gegenagen ist? Ich ja anscheinend nicht." Er atmete tief durch und spürte schon wieder den nächsten Knochen brechen.

Mit einer ruckartigen, geradezu raubtierhaften, Drehung wandte er sich zu dem elend aussehenden Häufchen, dass wohl sein Bruder war. "Du bist so erbärmlich du elender Bastard.", zischte er eindringlich, während er langsam auf ihn zu ging und mit einem Knurren vor ihm stehen blieb. Blitschnell umschlang eine Hand die blutverklebte Kehle des anderen und drückte zu, bis ein Keuchen zu hören war. "Halt dein verdammtes Maul."

Er keuchte leise, als Cirian's Hand seine Kehle umschloss. Durch die vielen Verletzungen war es ohnehin schwer das Herz zu überzeugen weiter zu arbeiten. Das machte es jetzt nicht sehr viel einfacher. Er hustete leise. Es würde nicht lange dauern, bis er zurückschlagen musste. Er stieß ein Stoßgebot gen Himmel ehe er tief Luft holte.

Das weiße Haar umrahmte ihr zierliches Gesicht. Aus ihren Lippen drang ein leiser, sanfter Ton. Es war eine Melodie zu hören. Es war jene, die Cirian ihr als kleines Kind immer vorgesungen hatte. Der Blick war perplex zu Anathial und Cirian gewandt. Das Blut floß überall auf dem Boden und ihre Augen hatten einen leicht roten Touch.

Cirian fuhr unbeirrt mit seiner Prozedur fort und merkte wohl nicht, wer gerade gekommen war. Zu sehr war er in seinem Rausch aus Wut, Hass und purer Verzweiflung verfallen. Man hatte ihn verraten. Sie hatte ihn verraten.
"Du bist einfach nur erbärmlich. Erbärmlich und nichts anderes.", knurrte der Schwarzhaarige, drückte noch einmal fester zu und leckte mit seiner Zunge genüsslich etwas des Blutes von Anathial von dessen Wange. //Bruder.//
Doch langsam drang etwas an seine Ohren, was ihn erstarren ließ. Sie war da...
"Verschwinde.", meinte er knapp mit einer monotonen Stimme und drehte sich erst gar nicht zu Shaina um. Sie sollte nicht seinen Schmerz sehen. Nein, das sollte sie nicht.

Mit dem nächsten Husten landeten die ersten Blutstropfen seiner Kehle auf dem Boden. Die Luft wurde knapper umso mehr Cirian zudrückte. //Cirian. Hör auf ...// stieß er in gedanken schwach hervor ehe er das bewusstsein verlor.

Ohne sich irritieren zu lassen summte sie das Lied weiter ehe ihre Stimme ansetzte und den text dazu mitzusingen begann. Sie hatte sein kurzes Zusammenzucken bemerkt. Kurzerhand sank ihr Blick zu Boden ehe sie mit den Fingernägeln ihren Arm aufritzte. Würde Cirian ihren Bruder nicht bald loslassen, würde er sterben. Sie lebte in der Hoffnung, dass er ihr Blut ansprechender fand. Unbeirrt sang sie leise weiter. //Ich war ein so dummes Kind.// schwirrte es immer wieder in ihren Gedanken herum.

Seine freie Hand glitt sanft über die Wangen seines Bruders, während dieser sein Bewusstsein verlor. //Anathial.//, meinte er seufzend und ließ sich mit dem blutigen Bündel zu Boden gleiten. Vorsichtig umarmte er ihn wie einen Rettungsring, der ihn am Leben erhielt.
Ein Knurren drang aus seiner Kehle, als er den Gesang vernahm. Töne, die den Pflock weiter trieben, ihn zu zerreißen drohten. "Verschwinde. Verschwinde. Verschwinde.", meinte er flehend und vergrub seinen Kopf an der Brust seines Bruders. Der einzige, der wohl für immer für ihn da sein würde.

Sie betrachtete geknickt das kleine Häufchen. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass sie der Grund war, dass ihr Onii so austickte. Die Melody stockte, als sie kurz schmerzverzerrt das Gesicht verzog. Nun brach sie das Summen ganz ab. Ihre Hand grub sich mehr und mehr in die geöffnete Wunde in ihrem Unterarm. //Gomenen, Onii. Das was ich gesagt habe kann ich nicht zurück nehmen. Shaina wollte dir wirklich nicht wehtun. Aber sie fürchtet, es gibt keinen Weg das gut zu machen und wenn Onii das so will, dann geht sie jetzt.// Sie zog die hand aus der tiefen Wunden, legte sie einmal an die Wand und hinterließ so den kleinen Handabdruck ihrer zierlichen Hand ehe sie stumm über die Schutthaufen trat.

Kommentarlos hörte er dem zu, was Shaina sagte. Sie wollte ihm nicht weh tun? Sie hatte ihn verraten, wollte ihn allein lassen. Ein heiseres, hysterisch-klingendes Lachen drang aus seiner Kehle. "Verarsch mich nicht.", meinte er kalt und drückte seinen Bruder näher an sich. "Wach auf. Wach einfach auf.", murmelte er, an wen er seine so einfach klingenden Bitte stellte, war nicht ganz klar.

Ein röchelndes Husten drang aus seiner Kehle. Das Blut floss und floss aus allen Wunden, die aufgerissen und neu entstanden waren. Warscheinlich würde er bald auf große Jagd gehen müssen, soviel Blut wie er verloren hatte. Mit leicht zitternden Gliedern hiefte er sich hoch. Mit immernoch geschlossenen Augen begann er so gut wie es ging zu sprechen. "Sie verarscht.. dich nicht. Ich .. sehe es." Ein Husten folgte, das weitere Blutstropfen auf den Boden beförderte. "Los. Geh .. geh schon. Geh ihr nach und .. und klär das. Ich .. schaff das .. irgendwie."

Sie hinterließ blutende Tapsen als sie durch den rest der Tür schritt. Nicht weiter eingehend trat sie aus seinem Raum um wenige meter entfernt an einem Fenster gelehnt stehen zu bleiben. Hier wurde sie als kleines Kind abgelegt und hier hatte er sie gefunden. Ihre Finger fanden wieder die Wunde und glasklare Tränen rinnten über ihre Wangen während das weiße Haar um ihr Gesicht tanzten. Sie war so ein elendiger Feigling und tat dazu auch noch allen weh. Das war alles so zum .. zum Selbstmord anregend.

Geradezu sanft strich Cirian die blutverklebten Strähnen aus dem Gesicht seines Bruders, ehe er erleichtert die Stirn auf die seine gleiten ließ. "Tut mir leid.", nuschelte er entschuldigend und half ihm widerwillig aufzustehen. Anathial sollte erst einmal liegen bleiben, bis sich seine Wunden grob geschlossen hatten. Reumütig betrachtete er seinen Bruder, doch der Sadist in ihm kam auf seine Kosten. Was war besser, als Blut, aufgerissene Haut und zersplitterte Knochen? Eine Frage, auf die er schon oft eine Antwort gesucht hatte.
"Ich bin gleich wieder da. Leg dich hin.", meinte er und erwartete keine Widerrede, während Cirian mit Leichtigkeit den anderen hochhob und auf die Liege im Bad legte. Ein letzter warnender Blick und er folgte zögerlich mit einem Seufzen den blutigen Tapsern, die Shaina hinterlassen hatte.
Ohne etwas zu sagen glitt er neben die Weißhaarige und stütze sich mit seinen Ellenbogen auf dem Sims des Fensters ab, um die Landschaft hinter dem Glas betrachten zu können.

Er ließ sich grummelnd auf die Liege legen. Sie war nicht bequem aber wohl das einzige, worauf man noch liegen konnte. Er verzog schmerzverzerrt das Gesicht. Er war zwar zum guten Dreiviertel vollkommen zerstört und zerstückelt, dennoch ließ es sein Stolz nicht zu behandelt zu werden wie ein Baby. Seufzend legte er den Kopf zurück und schloss die Augen. //Sei nicht zu hart zu ihr. Sie versucht ihr bestes.//

Sie war so sehr in Gedanken, dass sie unbewusst anfing die Melody zu singen. Ihre sanfte leise Stimme erfüllte den Gang und das weiße Haar wippte ab und an durch den aufkommenden Wind, der durch die undichten Fenster fuhr. Sie wischte sich mit dem Handrücken einige Tränen von der Wange, ehe sie Cirian erkannte. Perplex trat sie zurück und rutschte etwas hinab. Wieso war er denn hier? Wieso ließ er Anathial denn allein? Soviele Fragen tummelten sich in ihrem Kopf, wenngleich sie keine einzige aussprechen konnte. das einzige, was sie konnte, war ihr Lied umzuformen. Mittlerweile sagte der Text nichts mehr über eine gute Nacht aus, sondern er drückte ihr Leid mehr oder weniger aus. Der text bestand größtenteils aus dem 'Es tut mir so leid'. Sie konnte nicht sagen was sie dachte und fühlte. Das war nie ihr Ding gewesen. So trällerte das Lied immer wieder in ihren Gedanken. //Es tut mir so .. so leid.// Ihre weiße Strähnen fielen ihr ins Gesicht.

Anathial's Bitte beantwortete Cirian mit einem knappen Nicken, ehe er stur aus dem Fenster blickte. Wieso hatte er ein schlechtes Gewissen? Sie hatte ihn verraten, wollte ihn verlassen. Nicht er. Es war ihre Schuld. Und wieder peinigte sie ihn mit der altbekannten Melodie. Die einzige Melodie, die er noch aus Kindertagen kannte.
"Woher der plötzliche Sinneswandel?", fragte er mit einem monotonen Tonfall.

"Kein Sinneswandel." murmelte sie. "Ich nehme ja nicht zurück, was ich sagte. Ich verändere es." meinte sie leise. "Es tut mir weh dich so kalt zu sehen. Ich hasse es wenn ich dich so sehen muss." seufzte sie. Kurz brach sie ab und rutschte nun entgültig an der Steinwand hinab. Ihre Beine winkelte sie an, die Arme darum geschlungen und die Stirn an die Knie legend kauerte sie so und summte in Gedanken weiter. Das war das einzige Lied, das sie kannte und das sie je kennen wollen würde. "Aber ich mache doch damit eh alles nur noch schlimmer." besagter satz kam nur bruchteil weise hinaus, da er nach jedem dritten Wort aussetzte und eine kleine Atempause folgte. Ihr Herz beschleunigte rasant.

Sein Hand schlang sich um den Sims, als er sich etwas aufrichtete. "Weißt du weshalb ich leide?", fragte er nun in einem scharfen eiskalten Tonfall, ehe der Stein unter Cirians Fingern zu bröckeln begann. Seine Augen, immer noch rot glühend und katzenartig verzogen, richteten sich auf das kleine Häufchen Elend mit den weißen Haaren. "Du wolltest mich verlassen. Deine Gründe sind mir gerade herzlichst egal. Ich kümmer mich um dich, tue was ich kann und was ist der Dank dafür? Du lässt dich auf fragwürdige Kerle ein und willst mich - und Anathial - alleine zurücklassen.", fuhr er inbrünstig fort.

Sie zuckte zusammen und vergrub ihre Hände in den weißen Haarsträhnen. Sie wollte doch nicht ganz weg gehen. Oder? Wollte sie das? Sie wusste es nicht aber im Moment bereute sie ihre Idee von einem freien Leben. Ohne schlechtes gewissen, dass sie ihren Brüdern soviel Arbeit aufhalste. All die Gedanken schwebten in ihrem Gehirn herum, gut sichtbar für Leute wie Cirian und Anathial. //Wieso kann nicht alles so erdbeerig wie bei Mrs Emelie Erdbeer sein...// seufzte sie leise in Gedanken. Das war alles so furchtbar verzwickt. Sie wollte nicht, dass Cirian sauer auf sie war. Nein, sie hasste sich selbst dafür. //Aber es würde jetzt nichts ändern, wenn ich da bleib.// stellte sie fest. Immernoch recht verzweifelt gruben sich ihre Hände in die weißen Haarmengen.

Mit ärgerlich zusammengezogenen Augenbrauen und aufkeimender Wut über das was sie dachte, tauchte er kniend vor ihr auf und verpasste Shaina eine schallende Ohrfeige. Ein ernster Ausdruck lag in seinen Augen. "Wir leben in keiner rosaroten Zuckerwattewelt Shaina.", stieß Cirian aus und rüttelte die Weißhaarige durch. "Wach doch endlich auf verdammt."

Erschrocken fuhr ihr Blick hoch und traf die funkelnden Augen Cirian's. Ihre Hand schoss zu der Stelle, an dem noch seine Hand verweilte und legte sich darauf. Es tat dermaßen weh doch ohne zu Murren blickte sie ihn einfah weiter an. Kurz bahnte sich eine Träne den Weg entlang. "O-.. onii.." setzte sie an, kam aber nicht sonderlich weit.